Studium Generale

Kristallisation mal ganz anders: Von Biomineralien, Nanostrukturen und neuen Materialien

 

Prof. Dr. Helmut Cölfen, Universität Konstanz, Fachbereich Chemie

Biomineralien sind Mineralien, die von lebenden Organismen gebildet werden. Bekannte Beispiele sind Knochen, Zähne, Eier- und Muschelschalen oder auch Korallen. Allen Biomineralien ist gemeinsam, dass sie für den jeweiligen Verwendungszweck hochoptimierte Materialien sind. Dabei gelingt der Natur, aus eigentlich recht schlechten Materialien wie brüchigem Kalk oder Glas hochoptimierte Materialien zu schaffen, die auch synthetischen Hochleistungsmaterialien überlegen sind. Zudem werden Biomineralien in wässriger Umgebung bei Umgebungstemperatur und Druck aus abbaubaren oder recyclierbaren Materialien aufgebaut – ein wunderbares Beispiel für nachhaltige grüne Chemie. Daher ist es sinnvoll die Strukturen von Biomineralien sowie deren Bildung zu erforschen, um die Konstruktionspläne der Natur zu ermitteln. Gelingt dies, so eröffnet sich ein weites Feld zur Synthese von Hochleistungsmaterialien, da einem Chemiker bei weitem mehr Molekülbausteine zur Verfügung stehen als der Natur. Nach einer Einführung in die Biomineralisation werde ich im Vortrag auf mehrere Beispiele von bioinspirierter Mineralisation eingehen. Diese zeichnen sich oft durch optimierte Strukturen auf der Nanoskala aus, welche der Grund für die verblüffenden Eigenschaften sind. Als Beispiel wird elastischer Zement diskutiert, dessen Struktur von der Nanostruktur eines Seeigelstachels inspiriert wurde. Als weiteres Beispiel für bioinspirierte Materialien wird das sogenannte Mineralplastik diskutiert – ein Kunststoff der unter Umgebungsbedingungen in Wasser hergestellt wird und der komplett recyclierbar und abbaubar ist. Als drittes Beispiel werden Knochenimplantatoberflächen vorgestellt, die von der Struktur des menschlichen Knochens inspiriert wurden und damit besonders schnell mit dem existierenden Knochen verwachsen. All diese Beispiele zeigen, dass einem die Natur Wege zu großartigen neuen Materialien liefern kann, wenn es gelingt deren Baupläne zu entschlüsseln.

Helmut Cölfen studierte Chemie an der Gerhard-Mercator Universität Duisburg (heute Universität Duisburg-Essen) und promovierte dort 1993 mit einer Arbeit zur Analyse von Gelstrukturen mit Analytischer Ultrazentrifugation. Bei einem anschließenden Forschungsaufenthalt an der Universität Nottingham erweiterte er sein Wissen auf die Analyse verschiedener Biomakromoleküle in Lösung sowie deren Wechselwirkungen. 1995 wechselte er als Gruppenleiter an das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung nach Potsdam um dort ein Labor für Analytische Ultrazentrifugation zur Nanopartikelanalytik aufzubauen. Hier begann er mit seinen Arbeiten zur Bio- und bioinspirierten Mineralisation. Im Jahr 2010 wechselte er dann als Professor für physikalische Chemie an die Universität Konstanz, nachdem er einen Ruf an die Universität Duisburg-Essen und die Universität Stuttgart abgelehnt hatte. In Konstanz forscht er auf den Gebieten Bio- und bioinspirierte Mineralisation, Selbstorganisation von Nanopartikeln und nichtklassische Kristallisation, Nukleation, Synthese funktioneller Makromoleküle und fraktionierende Analytik von Nanopartikeln und Makromolekülen. Er ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs 1214 (Anisotrope Partikel als Baueinheiten) der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Datum: 2019-11-18