Studium Generale
Impfskepsis in Deutschland. Was wir wissen und was nicht.
Prof. Dr. Claudia Diehl, Universität Konstanz
Nicht erst seit der Corona-Pandemie wird dem Thema „Impfskepsis“ große Aufmerksamkeit zuteil. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass diese Skepsis in vielen Fällen ein grundsätzlicheres Misstrauen gegenüber denjenigen Institutionen widerspiegelt, die in die Entwicklung und Verteilung von Impfstoffen involviert sind. Dies ist neben der Pharmaindustrie und medizinischen Expertinnen und Experten auch der Staat. Tatsächlich werden Impfungen von einer kleinen Minderheit der Bevölkerung kontrovers diskutiert und teilweise rundheraus abgelehnt. Dieser Sachverhalt wird häufig als Indikator für eine breitere politische Polarisierung in der Gesellschaft betrachtet.
Die Impfquoten in Deutschland sind allerdings generell eher hoch. Zudem stehen hinter einer ausbleibenden Impfung keineswegs immer impfkritische Einstellungen. Während Impfquoten für einen langen Zeitraum vorliegen, ist aufgrund fehlender Daten aber kaum etwas darüber bekannt, wie sich Einstellungen zu Impfungen im Zeitverlauf verändert haben. Wir versuchen uns auf Grundlage von Daten des Robert Koch Instituts der Frage anzunähern, ob in Deutschland impfkritische Einstellungen im Zeitverlauf zugenommen haben. Dabei identifizieren wir Trends im Impfverhalten und impfbezogenen Einstellungen anhand einer Betrachtung über die Geburtskohorten hinweg. Dies zeigt, dass die Impfskepsis eher ab- als zugenommen hat, impfskeptische Einstellungen heute aber offenbar eher in die Tat umgesetzt werden als dies früher der Fall war. Abschließend diskutieren wir mögliche Ursachen dieses Trends, etwa die Rolle des Internetzugangs.
Prof. Dr. Claudia Diehl ist Professorin für Mikrosoziologie im Fachbereich Soziologie an der Universität Konstanz