Studium Generale

Green Deal und Landwirtschaft: Was ist zu tun?

 

Prof. Dr. Folkhard Isermeyer, Johann Heinrich von Thünen-Institut, Braunschweig

Die EU-Kommission hat mehrere Strategien veröffentlicht, in denen sie ihre Entschlossenheit bekun¬det, die Volkswirtschaft so schnell wie möglich nachhaltig aufzustellen. Die Strategien setzen auch für die Landwirtschaft ambitionierte Ziele, die schon 2030 erreicht sein sollen: Mindestens 10% der landwirtschaftlichen Fläche sollen dann vorwiegend dem Naturschutz dienen. Der Flächenanteil des Ökologischen Landbaues soll von derzeit knapp 10% auf 25% ansteigen. Der Einsatz chemischer Pestizide soll halbiert werden, ebenso der Nährstoffüberschuss der Landwirtschaft.
Wie soll das gelingen? Wenn wir die bisherigen Trends fortschreiben, werden die genannten Ziele weit verfehlt. Dass die Verbraucher ihr Verhalten grundlegend ändern und sich die Nachfrage nach Ökoprodukten in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt, ist unwahrscheinlich. Also wird es vor allem die Aufgabe der Politik sein, den Agrarsektor auf ein anderes Gleis zu setzen – entweder mit starken finanziellen Anreizen oder mit rigiden Auflagen. Bei der Umsetzung stellen sich aber schwierige Fragen: Sollen künftig Beamte festlegen und kontrollieren, was auf jedem einzelnen Acker geschieht? Oder soll die Politik einheitliche Vorschriften für alle Landwirte erlassen, die dann von Lappland bis Sizilien gelten? Beides erscheint unvernünftig.
Vor diesem Hintergrund hat das Thünen-Institut einen Politikpfad vorgezeichnet, der die Aussicht bietet, die ambitionierten EU-Ziele mit möglichst geringen Nebenwirkungen zu erreichen. Dabei zeigte sich: Es kann gelingen. Manche Teilziele sollten allerdings noch einmal überdacht werden, z. B. das Ziel 25% Ökolandbau bis 2030. Und bei anderen Teilzielen sollte die EU-Kommission noch entschlossener daran arbeiten, dass sie sich im Bewusstsein der verantwortlichen Politikerinnen und Politiker festsetzen. Das betrifft vor allem die Verteuerung bestimmter Lebensmittel und die Abkehr von der Freihandelsdoktrin.
Wenn die Themen Verbrauch und Handel nicht einbezogen werden, besteht die Gefahr, dass eine entschlossene Nachhaltigkeitspolitik der EU am Ende zu einer Mogelpackung gerät: Wir verwandeln dann unsere heimische Landwirtschaft in einen großen Naturgarten, an dem wir uns täglich erfreuen können, doch führt der steigende Konsum billiger Importprodukte dazu, dass der Nutzungsdruck auf außereuropäische Flächen immer mehr steigt. Auf diese Weise wird ein Großteil unserer Nachhaltig-keitsprobleme nicht wirklich gelöst, sondern lediglich exportiert.

Der Agrarökonom Prof. Dr. Folkhard Isermeyer (62) ist seit 2009 Präsident des Thünen-Instituts in Braunschweig. Das Thünen-Institut ist ein Bundesforschungsinstitut, das die Bundesregierung in den Bereichen Ländliche Räume, Landwirtschaft, Forst- und Holzwirtschaft sowie Fischerei berät. Es besteht aus 14 Fachinstituten, deren wissenschaftliche Kompetenz in den Bereichen Sozioökonomie, Ökologie und Technologie liegt.

Moderation: Bernhard Schink