1968 - 50 Jahre danach
Prof. Dr. Sven Reichardt
Politische Rebellion, Kulturrevolte, Ausdruck soziokultureller Liberalisierungen, Autoritätskritik, globale Revolutionsphantasmagorie, politischer Radikalismus, Dogmatismus und Gewaltfixierung, Bildungshunger, osteuropäisches Laboratorium für Reformen eines Dritten Weges, Aufstandsversuch gegen autoritäre Gesellschaftssysteme, Befreiungsbewegung gegen die Ausläufer der Kolonialherrschaft in der Dritten Welt – die Zuschreibungen von Bedeutung der Chiffre „1968“ sind vielfältig. Der Vortrag beginnt damit, die neuesten Trends und Ansätze zur Erforschung der 68er vorzustellen. Er gibt einen Überblick darüber, welche Themen und Interpretationen derzeit diskutiert werden und worin die Chancen und Grenzen dieser Deutungskämpfe liegen.
Im zweiten Teil des Vortrages werde ich in die empirische Forschung einsteigen und den Wandel des kulturellen Lebensstils im Gefolge der 68er-Studentenbewegung veranschaulichen. Anhand des linksalternativen Milieus der Bundesrepublik werde ich auf die Kleidung und das Körperverständnis sowie auf die Ästhetik der Wohngemeinschaften eingehen, um kulturelle Wandlungsprozesse plastisch zu veranschaulichen.
Abschließen werde ich den Vortrag mit Bemerkungen zur neuen Arbeitsformen in der Alternativökonomie. Rund 200 000 meist jungen und oft sehr gut gebildete Beschäftigten hatten sich in den späten siebziger und achtziger Jahre aufgemacht, hierarchische und profitorientierte Arbeitsverhältnisse in selbst verwalteten Betrieben abzuschaffen. Mit der eigenverantwortlichen Einteilung der Arbeitszeit, den flachen Gruppenhierarchien, der Selbstorganisation der Arbeitsabläufe und einem Freiraum für Spontaneität und Solidarität sind ihre Ziele umschrieben. Glückte ihnen dieser Schritt? Was wurde aus ihren Gemeinschaftsverpflichtungen, der Teamarbeit, den neuen Kommunikationskompetenzen und Selbstverpflichtungsstrategien?
Datum: 2018-11-05